25 Jahre Volunteers: 1.200 Einsatzjahre für junge Menschen
Benediktbeuern/Bonn/München – Am liebsten nach Bolivien wollte Annegret Kohnen-Spitz nach ihrem Abitur im Jahr 2000. „Auf jeden Fall aber in ein spanischsprachiges Land“, betont sie, als sie heute, über zwanzig Jahre später, von ihrem Freiwilligendienst mit den Salesianern Don Boscos erzählt. Es wurde dann doch Brasilien. „Ich habe die Stimme des Paters noch im Ohr: Brasilien sei ja ganz nah an Bolivien und Portugiesisch fast Spanisch.“ Wie empfohlen schloss die damals 19-Jährige in den folgenden Wochen eine Reiseversicherung ab und kümmerte sich um den Flug. Ein paar Monate später landete sie im brasilianischen Corumbá, um dort ein Jahr lang mit sozial benachteiligten Kindern zu arbeiten.
Kohnen-Spitz zählt zur frühen Generation von Don Bosco Volunteers, wie die Freiwilligen des Ordens genannt werden. „Vor 25 Jahren, 1996, haben wir zum ersten Mal einen Freiwilligen ins Ausland geschickt, damals noch nach Irland“, erinnert sich Pater Stefan Stöhr, Koordinator für Freiwilligendienste bei den Salesianern Don Boscos in Deutschland. „Seit dieser Zeit ist viel passiert“, sagt er und meint damit nicht nur die mehr als 800 jungen Männer und Frauen, die dem Beispiel des damaligen „Irland-Pioniers“ folgten und mit dem weltweiten Jugendhilfswerk einen Auslandsfreiwilligendienst absolvierten.
2003 wurde der erste Mitarbeiter für Don Bosco Volunteers eingestellt, seit 2008 entsenden die Salesianer Don Boscos Freiwillige über das weltwärts-Programm des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung und seit 2010 setzt die Entsendeorganisation auch in Deutschland Volunteers im Rahmen des Freiwilligen Sozialen Jahres und des Bundesfreiwilligendienstes ein. Inzwischen mehr als 400 Volunteers haben so in den vergangenen elf Jahren einen Freiwilligendienst in Don-Bosco-Einrichtungen in Deutschland geleistet.
Eigene Stärken und Schwächen erkennen
Mit jedem neuen Schritt und jeder neuen Erfahrung erfuhr die Arbeit mit jungen Freiwilligen auch einen Professionalisierungsschub. Besonders die Vorbereitung der jungen Menschen auf ihre Zeit im Ausland hat sich verändert. Bestand die Vorbereitung in den ersten Jahren aus einem einzigen Treffen, das vom Studieren einer großen, in der Raummitte ausgebreiteten Weltkarte, dem Anschauen eines Projektvideos über Haiti und der Klärung des Wunscheinsatzortes geprägt war, finden heute im Lauf eines Jahres ein Informationswochenende und drei mehrtägige Vorbereitungsseminare statt, durch die sich die angehenden Freiwilligen besser als je zuvor auf ihr Jahr im Ausland einstellen können. Auch die Begleitung der Freiwilligen während und nach ihrem Dienst sowie das Notfallmanagement wurden deutlich professionalisiert und ausgebaut.
Die Ziele des Freiwilligendienstes sind dabei immer gleichgeblieben: „Wer sich in unserer globalen Gemeinschaft ein Jahr als Volunteer engagiert, erkennt eigene Stärken und Schwächen, wird unabhängiger und lernt andere Lebensweisen kennen“, führt Pater Stöhr aus. „Wenn die Volunteers Kindern und Jugendlichen in Deutschland und der Welt helfen, lernen sie auch sich selbst besser kennen und entwickeln die eigene Persönlichkeit weiter“, ist der Salesianer überzeugt.
Rückkehr voller Tatendrang
Die 20-Jährige Emma Dierkes war ab September 2019 als Don Bosco Volunteer in Ruanda. Heute studiert sie Grundschullehramt und profitiert bei der Arbeit mit den Kindern enorm von ihren Erfahrungen in dem ostafrikanischen Land. Das reicht von pädagogischen Elementen, die sie dort im praktischen Einsatz gelernt hat bis zu ganz persönlichen Erfahrungen. „Wenn ich mit Kindern spreche, die nicht Deutsch als Muttersprache haben, habe ich viel mehr Verständnis“, betont sie. Angewiesen auf ihr Schulfranzösisch tat sie sich zu Beginn ihres Einsatzes nicht leicht mit der Kommunikation.
Für die Arbeit mit Straßenkindern und einer Schulklasse musste sie außerdem Kinyarwanda lernen, das neben Französisch und Englisch in Ruanda Landessprache ist. Dass der gesamte Sprachunterricht auf Französisch stattfand, machte auch das Lernen der neuen Sprache schwer. Seitdem wisse sie, „was das für ein Gefühl ist, wenn jemand über dich redet und du hörst deinen Namen, aber du weiß nicht, was die Leute über dich sagen“, berichtet sie.
Annegret Kohnen-Spitz kam voller Tatendrang aus Brasilien zurück und erkannte, welche Privilegien sie in Deutschland hat. „Ich habe hier so eine Leichtigkeit im Leben empfunden“, erinnert sie sich. Sie habe Lust gehabt, mit dem Studium zu beginnen und gleichzeitig erkannt, wie froh sie über ihre Möglichkeiten in Deutschland sein konnte. Hatte sie doch in Brasilien viele Menschen in ihrem Alter kennengelernt, die tagsüber arbeiten mussten, um abends studieren zu können. „Ich glaube, ich bin zurückgekommen und habe irgendwie mehr Dankbarkeit empfunden bezüglich der Möglichkeiten, die ich hier so habe“, resümiert sie.
Brasilien hat sie lieben gelernt, trotz der neuen Sprache, die sie lernen musste. Schon bald kehrte sie für zwei Auslandssemester während ihres Studiums nach Corumbá zurück. Diese Erfahrung wünscht sie auch ihren Kindern. „Hoffentlich haben auch sie die Möglichkeit, als Freiwillige im Ausland so viel über sich und die Welt zu lernen, wenn sie in diesem Alter sind“, sagt sie nachdenklich. „Wenn das wegfallen würde, fiele etwas Großes weg.“
Text: Christoph Sachs/RefÖA; Fotos: privat